Von Frank Dörfelt
Alfred Baumann führte ein gutes Leben. Das war im Jahr 1924 nicht unbedingt selbstverständlich schon gar nicht für einen einfachen Angestellten. Aber der 40 Jahre alte Mann war Buchhalter in der Zwickauer Stadtverwaltung und das brachte ihm einige Vorteile ein. Darüber, dass seine gesicherten Verhältnisse nicht auf legale Art und Weise zustande gekommen waren, darüber machte er sich offenbar keine Gedanken. Er war Stammgast in mehreren Restaurants und Bars und wurde immer wieder in Begleitung schöner Frauen gesehen. Oft floss der Sekt in Strömen und käufliche Damen des horizontalen Gewerbes waren bei ihm häufig in der Wohnung zu Gast. Nur auf eines achtete Baumann streng. In der Stadtverwaltung sollte niemand von seinen Leben außerhalb des Rathauses wissen. Immerhin verdiente er in seinem Beruf bei weitem nicht so viel, dass er sich den Luxus hätte leisten können. Daher blieb die teure Garderobe im Schrank, wenn er zur Arbeit ging. „Ich habe eine Geldquelle, die nahezu unerschöpflich ist“, hat er einer seiner Gespielinnen berichtet, als er vom Sekt berauscht ins Plaudern kam. Diese erzählte das später dem Gericht.
Dem Täter wurde das Gaunerstück leicht gemacht
Dabei wurde dem städtischen Buchhalter das Gaunerstück leicht gemacht. Im Rathaus fehlte die Kontrolle über die Einnahmen. Über Baumanns Tisch ging so ziemlich alles, was an Bargeld bei der Stadtverwaltung eingezahlt worden war. Aus diesem Topf konnte er sich jahrelang bedienen, ohne das jemandem auffiel. Je länger sein Treiben unbemerkt blieb, umso sicherer, vor allem, aber auch gieriger wurde der Buchhalter. Er legte vor allem bei hohen Einzahlungen immer kleine Beträge beiseite und verbuchte den geringeren Betrag als Einnahme und fälschte dann die Quittung. So stimmte am Abend die Kasse. Ein Abgleich mit den Büchern der Ämter hätte den Schwindel schnell auffliegen lassen. Doch auf diese simple Kontrolle war im Rathaus offenbar noch niemand gekommen. In manchen Wochen ging er mit mehr Geld aus dem Rathaus, als er sonst in einem Monat verdient hätte. Wie viel genau an Geld auf diese Weise verschwand konnten später weder Polizei noch Gericht ermitteln. Der Fehlbetrag wurde auf etwa 70.000 Mark geschätzt. Immerhin hatte sich Baumann mehr als vier Jahre aus der Stadtkasse bedient. Der Schwindel flog auf, als einer Kollegin in der Steuerabteilung ein Fehler unterlief. Sie hatte in einem Einzahlungsbeleg einen Zahlendreher geschrieben. Das hätte für sie bedeutet, dass Geld fehlt. Den Fehler wollte sie so schnell wie möglich korrigieren. Alfred Baumann aber traf sie in seinem Büro nicht an. Als sie eigenmächtig die Kontobücher durchsah, bemerkte sie das hinter dem Namen des Steuerpflichtigen ein ganz anderer, deutlich niedriger Betrag stand, als sie in die Quittung eingetragen hatte. Der war auch mit den vertauschten Zahlen nicht zu erklären. Sie wurde misstrauisch und informierte ihren Chef. Doch Alfred Baumann wies jede Schuld von sich, hütete sich jedoch in den nächsten Tagen auch nur einen Pfennig zu entnehmen. An einem Wochenende, an dem Baumann nicht arbeiten musste, wurde eine Tiefenprüfung durchgeführt, die die Betrügereien ans Licht brachten.
Die Straftaten flogn bei einer Tiefenprüfung auf
Am 5. Mai 1924, als Baumann zur Arbeit erschien wurde er festgenommen. Er bestritt weiterhin jede Schuld. In seiner Wohnung wurde jedoch ein hoher Bargeldbetrag gefunden und auch sein Lebenswandel war der Polizei bekannt geworden. Das reichte dem Staatsanwalt für eine Anklage. Am 10. September 1924 musste sich Alfred Baumann vor dem Zwickauer Landgericht verantworten. Nach mehr als vier Monaten Untersuchungshaft war von seinem ausschweifenden Leben nicht mehr viel übriggeblieben. Eher sehr kleinkaut äußerte er sich zu den Vorwürfen, nachdem er sich zuvor als unschuldig bezeichnet hatte. Das Geständnis kam dann auch sehr zögerlich. Das Argument, er habe ja niemandem geschadet und nur Geld von Bürgern an sich gebracht, die sich das leisten konnten, wollte bei den Richtern nicht verfangen. Richter Scholz schrieb in der späteren Urteilsbegründung von einem Schaden an der Allgemeinheit, der so nicht hinnehmbar sei. Die Richter hatten kein Mitleid mit dem Angeklagten, der nach eigenen Angaben aus ärmlichen Verhältnissen stammte, und schickten ihn für vier Jahre und sechs Monate ins Zuchthaus. Gnadengesuche wurden allesamt abgelehnt. Alfred Baumann musste seine Strafe bis zum letzten Tag absitzen. Ein Stelle in einer Verwaltung fand er nirgendwo mehr, schon gar nicht als Buchhalter. Er arbeitete 1929 als Heizer an einer Schule. 1934 hat er Zwickau mit unbekanntem Ziel verlassen. nkd
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